Ein Experiment: Klassifizierung ohne Altersklassen
Im Rahmen der seit 10 Jahren in der Spielregion Ost ausgetragenen Juniorenliga findet als Abschlußveranstaltung immer ein Einzelturnier statt. Die Juniorenliga ist ein ausgesprochener Anfängermannschaftswettkampf, der altersmäßig auf maximal 14 Jahre und leistungsmäßig auf eine DWZ von maximal 1000 begrenzt ist. Diese Juniorenliga wird von den jungen Schachfreunden und ihren Übungsleitern sehr gern angenommen, da es keine krassen Außenseiter und die Möglichkeiten zum experimentieren gibt. Trotzdem wurde bei den ersten Treffen in der Spielsaison 2007 / 2008 beobachtet, daß DWZ-Inhaber einen gewissen Vorteil gegenüber den sog. „Anfängern“ ohne DWZ besaßen. Da unser Verein das Abschlußturnier zu gestalten hatte, wollte ich diese Beobachtung überprüfen und entschloß mich, den Teilnehmern eine Turnierwertungszahl (TWZ) zuzuordnen, die leicht zu bilden ist und auch nicht mit der evtl. DWZ kollidiert. Erleichtert wurde dieses Vorhaben dadurch, daß die Ergebnisse des Abschlußturniers nicht dem DWZ-Verantwortlichen übergeben werden sollten und so auch Einsprüche von dieser Seite nicht zu erwarten waren. Da das Abschlußturnier nach dem Schweizer System ausgetragen wird, sollte auch dem „Nicht-DWZ-Inhaber“ die Möglichkeit zum Punktesammeln geboten werden, ohne daß direkt Altersklassen gebildet und ausgeschrieben werden müssen.

Die TWZ-Formel
Erreicht wurde dies durch die Vergabe von „ Turnierwertzahlen „ (TWZ). Diese wurden wie folgt gebildet:
a) bei DWZ-Inhabern: TWZ = DWZ plus Tausend
b) bei Nicht-DWZ-Inhabern: TWZ = (Turnierjahr minus Geburtsjahr) mal Hundert
Letztere Formel wurde abgeleitet aus den Erfahrungen von Treffen mit jungen polnischen Schachfreunden, deren NWZ (nationale Wertungszahl) fast immer glatte Zahlenbeträge ergibt und weitgehend mit deren Lebensalter korrespondiert. Bedingt durch die Prämissen der Juniorenliga kann ein Nicht-DWZ-Inhaber maximal die TWZ von 1400 erhalten, während die Anfänger-DWZ zwischen 600 und 700 beginnt und bei 1000 endet, was einer TWZ zwischen 1600 und 2000 entspricht. Damit entsteht automatisch eine TWZ-Lücke von ca. 200 Punkten, was in der sortierten Startrang-Liste dafür sorgt, daß die Spitzenplätze vor der ersten Runde nur von DWZ-Inhabern eingenommen werden. Erst in den nachfolgenden Runden beginnt die Zuordnung nach Leistung bzw. Turniererfolg.

Die Zusammensetzung der Turnierteilnehmer
Betrachten wir unter diesem Aspekt das abgeschlossene Juniorenliga-Einzelturnier der Spielsaison 2007 / 2008. Teilgenommen haben 30 Schachfreunde, davon 23 Jungen und 7 Mädchen ; das Lebensalter lag zwischen 6 und 13 Jahren, dabei lag der Hauptanteil zwischen 10 und 12 Jahren mit 21 Schachfreunden, aber auch die Gruppe der 6 bis 9- jährigen ist mit 7 Freunden oder 23,33 % gut vertreten.
Tab.1 Gliederung der Teilnehmer nach Alter und Geschlecht

Geburtsjahr Jungen Mädchen Gesamt Prozent
1994 - 1995 2 --- 2 6,67
1996 - 1997 9 2 11 36,67
1998 - 1999 8 2 10 33,33
2000 - jünger 4 3 7 23,33
Gesamt: 23 7 30 100,00

Betrachten wir jetzt die Zuordnung nach Turnierwertzahlen ( TWZ), wiedergegeben in Tabelle 2.
Tab. 2: Gliederung der Teilnehmer nach Turnierwertzahlen (TWZ)

TWZ Jungen Mädchen Gesamt Prozent
DWZ 7 2 9 30,00
1300 – 1100 5 1 6 20,00
1000 – 900 7 1 8 26,67
< 900 4 3 7 23,33
Gesamt: 23 7 30 100,00

Hier bildet die Gruppe der DWZ-Inhaber mit 9 Spielern oder 30 % eine starke Fraktion. Die DWZ-Spannweite lag zwischen 648 und 976, im Durchschnitt lag sie bei 808. Die TWZ von 1300 bis unter 900 waren, den Lebensaltern entsprechend, ziemlich gleichmäßig zwischen 20 % und 26,7 % vertreten. Untersuchen wir die Fraktion der DWZ-Inhaber (Tab.3) näher, so wird diese Gruppe aus 7 Jungen und 2 Mädchen gebildet.
Tab. 3: Gliederung der DWZ-Inhaber nach Geburtsjahren

Geburtsjahr Jungen Mädchen Gesamt Prozent
1995 1 --- 1 11,11
1996 2 1 3 33,33
1997 3 --- 3 33,33
1998 --- 1 1 11,11
1999 1 --- 1 11,11
Gesamt: 7 2 9 99, 99

Das Alter dieser Gruppe liegt zwischen 9 und 13 Jahren, mit einem Hauptanteil von ca. 66,7 % zwischen 11 und 12 Jahren.

Die Rundenergebnisse
Gespielt wurden in diesem Abschlußturnier 5 Runden nach dem Schweizer System mit Computerauswertung. Die Paarungen der Runde 1 wurden entsprechend dem Swiss-Chess-Programm aus der sortierten Startrangliste gebildet. Eine Ausnahme bildete eine Nachpaarung von zwei DWZ-Inhabern untereinander. Die TWZ-Zahl der Gegner der DWZ-Inhaber lag zwischen 900 und 1000, was einem Lebenalter von 9 bzw. 10 Jahren entspricht. Das Ergebnis der uns interessierenden Gruppe lag bei den DWZ-Inhabern bei 5 Siegen, 2 Remis und 1 Niederlage. Ein Remis-Angebot bildete die Nachpaarung. In Runde 2 belegten die DWZ-Inhaber die Bretter 1 bis 9, wobei Brett 6 mit Weiß und einer TWZ von 1300 gegen Schwarz mit 800 besetzt war. Die Gegner der DWZ-Inhaber hatten diesmal eine TWZ von 800 bis 1200. Das Brett 9 war eine Paarung von zwei DWZ-Inhabern, der eine 9 Jahre, der andere 12 Jahre alt. Das Rundenergebnis der DWZ-Inhaber lag diesmal bei 5 Siegen, 1 Remis und 3 Niederlagen. Während die Besetzung der Runden 1 und 2 weitgehend ähnlich war, kam es in Runde 3 zu der erwarteten Entmischung. Zwei DWZ-Inhaber rutschten ab in das hintere Mittelfeld, wobei der eine gegen einen Gleichaltrigen spielte und gewann, der zweite spielte gegen einen um ein Jahr jüngeren und verlor erneut. Das Spitzenfeld bildeten die Bretter 1 bis 7, davon das Brett 1 aus zwei DWZ-Inhabern, die untereinander remisierten. Die TWZ der Gegner der DWZ-Inhaber lag in der ersten Feldhälfte und im hinteren Mittelfeld zwischen 900 und 1300. Die dritte Runde brachte 5 Siege, 2 Remis (untereinander) und 2 Niederlagen als Ergebnis. Die Runde 4 brachte die größte Kumulation der DWZ-Inhaber. Die Bretter 1 und 2 waren Paarungen von DWZ-Inhabern untereinander, die Bretter 3 und 4 hatten Spielpartner mit einer TWZ von 1000 als Gegner. Im Mittelfeld waren zwei DWZ-Inhaber vertreten, die gegen ihre Gegner mit einer TWZ von 800 bzw. 1000 verloren. Ein DWZ-Inhaber war weiter bis in das Schlußfeld abgerutscht und spielte gegen einen Gegner mit einer TWZ von 900, was einem Lebensalter von 9 Jahren entspricht. Diese Partie konnte mit einem Gewinn abgeschlossen werden. Das Rundenergebnis für die DWZ-Inhaber lag diesmal bei 3 Gewinnpartien, 2 Remis ( unter- einander) und 4 Niederlagen. In der Schlußrunde 5 waren die Bretter 1 bis 5 wieder nur von DWZ-Inhabern besetz, deren Gegner eine TWZ zwischen 800 und 1200 aufwiesen. Brett 5 war eine reine Paarung von DWZ-Inhabern. An der Spitze des letzten Drittels des Spielerfeldes lagen drei DWZ-Inhaber,von denen zwei untereinander spielten und der Dritte hatte einen Gegner mit einer DWZ von 1000. Die Schlußrunde endete mit 4 Siegen, 3 Remis ( davon 2 untereinander) und 2 Niederlagen. Erwähnenswert ist hier aber auch, daß der bisherige Spitzenspieler der DWZ-Inhaber von einem spielstarken und kampferfahrenen 10 -jährigen Außenseiter abgelöst und entthront
wurde.

Der Endstand
Interessant ist auch die Analyse der Abschlußtabelle. Die Gruppe der ersten Zehn wurde von 7 Jungen und 3 Mädchen gebildet, darin eingeschlossen sind 5 DWZ-Inhaber, ein Spieler im Alter von 13 Jahren, eine Spielerin im Alter von 12 Jahren, der erwähnte Inhaber von Platz 1 im Alter von 10 Jahren und 2 Spielern im Alter von 8 Jahren. Das Alter der DWZ-Inhaber lag zwischen 10 und 13 Jahren; im Durchschnitt bei 11,6 Jahren, das der Nicht-DWZ-Inhaber bei 10,2 Jahren. Das Mittelfeld der Plätze 11 bis 20 bestand aus 9 Jungen und nur 1 Mädchen. In dieser Gruppe waren 4 DWZ-Inhaber vertreten. Diese bildeten interessanterweise auch die 2. Hälfte des Mittelfeldes. Die anderen Teilnehmer des Mittelfeldes sortieren sich wie folgt: 2 Teilnehmer im Alter von 11 Jahren, 1 Teilnehmer im Alter von 10 Jahren, 1 Teilnehmer im Alter von 9 und 2 Teilnehmer im Alter von 8 Jahren. Das Alter der DWZ-Inhaber lag zwischen 9 und 12 Jahren, im Durchschnitt bei 10,75 Jahren; das der restlichen Mittelfeld-Teilhaber bei 9,5 Jahren. In dieser Spielergruppe ist also der Besitz einer DWZ kein entscheidendes Indiz mehr, sondern hier spielt nur das Alter und der Leistungswille eine Rolle. In der Schlußgruppe der Plätze 21 bis 30 befinden sich 7 Jungen und 3 Mädchen. Diese Gruppe sortiert sich nach 1 Spieler im Alter von 12 Jahren 1 Spieler im Alter von 11 Jahren, 3 Spieler im Alter von 10 Jahren, 2 Spieler im Alter von 9 Jahren, 2 Spieler im Alter von 8 Jahren und 1 Spielerin im Alter von 6 Jahren. Der Gruppendurchschnitt liegt bei 9,3 Jahren.

Zusammenfassung
Das Experiment einer Klassifikation nach Altersstufen bzw. Leistungskategorien wird als erfolgreich eingeschätzt. Die Hypothese, daß DWZ-Inhaber im allgemeinen einen Vorteil im Spiel gegenüber Gleichaltrigen haben, hat sich bestätigt. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Art. Eine DWZ erhält man nicht sofort, sondern es bedarf einer gewissen Gewinnserie, die erst nach längerer Turnierteilnahme erworben wird. Dadurch haben die Kinder schon eine gewisse Erfahrung und ein, wenn auch nur etwa 1 bis 2 Jahre höheres Lebensalter. Diese Differenz kann im Anfängerbereich bereits viel bedeuten. Dazu kommt die höhere Spieldisziplin und Übersicht am Brett. Das gilt natürlich nicht rundum, sondern kann auch häufig durchbrochen und relativiert werden. Wo läßt sich diese Klassifikation mit TWZ anwenden? Nach meinem Dafürhalten bei kleinen Turnieren, deren Teilnehmerzahl so gering ist, daß sich die Bildung von Altersklassen nicht lohnt. Desweiteren ist diese Klassifikation nur dann anwendbar, wenn die Turnierauswertung nicht dem DWZ-Beauftragten der Spielregion zugeleitet wird. Es sei denn, dieser unterzieht sich der Mühe der Umrechnung der Spielergebnisse. Zum dritten sollten die Altersunterschiede und Leistungsdifferenzen nicht zu groß sein. Das dürfte aber in der Kategorie der „ Anfänger „ und der Schüler kaum ein Problem darstellen. Eine geschickte Prämiierung durch den Turnierleiter lindert auch gewisse „Schmerzen“ die sich auf „mißratene” Turnierergebnisse zurückführen lassen und evtl. zu Tränen Anlaß geben.
Werner Schulz, Übungsleiter SV Chemie Guben